Nach
den 11. Europameisterschaften der Boßler,
Feldkämpfer und Klootschießer im Jahr 2000 in
Meldorf sollte der Verband
Schleswig-Holsteinischer Boßler e.V. (VSHB)
erneut Gastgeber, diesmal der 16. Titelkämpfe,
sein. Die anhaltende Corona-Pandemie machte den
Gastgebern einen Strich durch die Rechnung und
erwartet nun die Kämpen im kommenden Jahr vom
13.-16 Mai zum Vergleich.
Bevor sich 2021 die
Besten aus Schleswig-Holstein mit ebenso
namhafter Konkurrenz aus Oldenburg/Ostfriesland,
Holland, Irland und Italien auf der Straße mit
der irischen Eisenkugel, im Feld mit dem
Hollandkloot und auf dem Stand mit der
friesischen Klootkugel messen lohnt ein Blick
zurück auf glorreiche Zeiten der Klootschießer.
Gerne wünscht man sich diese Brillianz wieder
zurück, wird ihnen aber wohl nie wieder näher
kommen als beim Aufschlagen eines historischen
Belegs vergangener Zeiten.
So sticht denn auch
aus der Historie ein Ereignis hervor, das vor 20
Jahren bei eben der 11. Europameisterschaft in
Meldorf für stürmische Begeisterung sorgte und
als Bestmarke für die Ewigkeit in Granit
geschlagen scheint: Stefan Albarus, der
"Adler von Norden", trieb den Kloot dreimal über
die magische 100-Meter-Marke und setzte mit
305,95 m einen Rekord für die Ewigkeit.
Der Weg dorthin
konnte indes steiniger nicht sein ...
Über Jahre führte
Hans-Georg Bohlken die Ergebnislisten im Klootschießen
von der Spitze her an. Kaum einer konnte ihn ernsthaft
in Gefahr bringen - drei Europatitel in Folge (1984,
1988 und 1992) und der Weltrekord (1985) sprachen eine
deutliche Sprache. In seinem Schatten wuchs im Norder
Stefan Albarus ("Adler von Norden") ein Kronprinz heran,
dessen großer Moment bereits 1996 gekommen schien.
Konstante Leistungen um und über die 100-Meter-Marke
hoben ihn vor der EM 1996 auf den Favoritenschild und
ließen ihn als überragenden Sieger beim Titelkampf am
17. Mai 1996 in Tubbergen (NL) erwarten. Doch er sollte
Nerven zeigen ...
Detlef Müller (Mentzhausen)
setzte ihn mit beherzten Würfen unter Druck, dem er mit
einem verunglückten zweiten Wurf nicht standhalten
konnte und gänzlich mit leeren Händen als Vierter das Feld
geschlagen verließ. Der sechs Wochen später am
30.06.1996 in Großheide erzielte und
heute noch gültige Weltrekord für den weitestens
Klootwurf von 106,20m mochte diese
Schmach nicht lindern.
Mit Zähigkeit und Konstanz
steuerte er auf den nächsten Titelkampf am 03. Juni 2000
in Meldorf zu. Im Vorfeld der EM ließ er sich diesmal
nicht in die Karten schauen und mit Qualifikationsweiten
glänzen, sondern er präsentierte sich mit mehr Ruhe und
Bedacht, allein fokussiert auf diesen einen Tag. Der 03.
Juni 2000 sollte zum Tag des Stefan Albarus werden.
Drückend überlegen präsentierte er sich der Konkurrenz,
allen voran dem ärgsten Rivalen aus dem eigenen Lager,
Thore Fröllje (Grabstede), als auch dem
Schleswig-Holsteiner Sönke Dreeßen, der vor der EM mit
100er-Würfen erneut auf sich aufmerksam gemacht hatte.
 Doch am 03. Juni 2000 war
Stefan Albarus allen Gegner gewachsen: Sein erster
Versuch schlug bei 102,50m ein und sollte die Zuversicht
nähren. Den zweiten Versuch, vier Jahre zuvor noch die
Achillesferse seines Wettkampfes, trieb er sicher auf
100,15m. Die eigenen Nerven nun im Zaum und den sicheren
ersten Titelgewinn vor Augen jagte er den dritten
Versuch auf schier unglaubliche 103,30m und ließ den
Europatitel nicht mehr los. Mit 305,95m aus drei
Versuchen ließ er einen neuen inoffiziellen
Europameisterschaftsrekord in die Bücher eintragen mit
dem Hinweis, als erster Teilnehmer eines
Klootschießerstandkampfes in einer Europameisterschaft
alle drei Wertungswürfe über die 100er-Marke gesetzt zu
haben. Dieses Kunststück brachte vor ihm noch keiner zu
Werke. Der Kronprinz war endgültig aus dem Schatten des
"Bär von Ellens" (Bohlken) getreten. Bohlken hatte zwar
sowohl beim ersten Titelgewinn in Garding
(1984/Schleswig-Holstein/100,20m) als auch beim zweiten
Titelgewinn in Norden (1988/102,20m) je einen Wurf über
die 100er-Marke gesetzt, nicht aber jeweils alle drei
Wertungswürfe. Dieses Novum blieb dem "Adler von Norden"
vorbehalten, der den grandiosen Titelgewinn von Meldorf
vier Jahre später bei den Europameisterschaften in
Westerstede wiederholen sollte.
Im März 2011 zog sich der
"Adler von Norden" vom aktiven Wettkampfgeschehen
zurück. Seine Bestmarken, Weltrekord 106,20m und
Europabestmarke mit 305,95m für eine EM-Serie aus drei
Versuche sind seitdem unangefochten. Man mag versucht
sein, die Marken als Fluch wahrzunehmen, kommt doch
seitdem kein noch so aussichtsreiches Talent auch nur
annähernd an die Rekordweiten heran.
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